Ferienhaus in der Provence
Südfrankreich, Sommer, Sonne, Sand und Meer – das war das Ziel unseres Mittelmeerurlaubs im vergangenen Jahr. Unsere Ansprüche an das Feriendomizil vor Ort waren einigermaßen anspruchsvoll. Das Ferienhaus sollte zentral aber ruhig liegen, nicht allzu weit von Einkaufsmöglichkeiten und Strand entfernt sein, Ausflüge keine stundenlangen Anfahrten beinhalten. Nach einigem Suchen fanden wir die herrschaftliche Villa Franco in Frejus. Der Kontakt mit Herrn Franco war sehr freundlich, laut Informationen war die Wohnung in einem ruhigen Wohngebiet gelegen, verfügte über Swimmingpool, Garten und vieles mehr.
Nach zehnstündiger Fahrt erreichten wir Frejus und konnten uns zunächst einmal über die Feinheiten der französischen Hausnummerierungen freuen: 298… 300 … 302 … 510… Nicht etwa, dass zwischen 302 und 510 ein Kilometer Wiese gelegen hätte, den wir entlang gefahren sind, nein es handelte sich um zwei benachbarte Grundstücke. Unsere Hausnummer, 346, war nirgendwo zu sehen, ratlos standen wir mit unserem Auto erschrocken halb auf dem Bürgersteig und behinderten den Verkehr. Was nun? 312 gab es nicht, 510 war eine herrschaftliche Villa und 302 eine Ruine. Aber die Straße war richtig. Nach einiger Zeit kam eine junge Dame angelaufen und erläuterte uns, dass das Haus 346 hinter der Ruine 302 liegen würde, wir mögen ihr bitte folgen.
Wir folgten ihr, vorbei an der Ruine, die sich von hinten als Baustelle entpuppte, vorbei an einem Betonmischer, Zementsäcken, Backsteinen zu einer kleinen huzzeligen Eingangstür hinten im Garten. Villa ? Naja! Herrschaftlich? Mon Dieu!!! Siedlungshäuschen im Hinterhof mit angeschlossener Grünanlage trifft es besser. Es war ein uriger kleiner, gemütlicher Bungalow, unter einer Villa, geschweige denn einer herrschaftlichen, stelle ich mir doch etwas anderes vor.
Beim Eintreten erklärte man uns, dass man die Tür mittels Schlüssel abschließen muss, sie bliebe sonst leider nicht verschlossen. Beim Treppenaufgang zur Küche kam der Hinweis, ich möge auf die geringe Durchlaufhöhe von 1,60 Meter achten, genau 1 Sekunde zu spät.
Die Wohnung war von der Funktionalität her bestens ausgerüstet, alles, was die Technik hergibt, war vorhanden, manches sogar mehrfach, wie beispielsweise DVD-Player und Fernseher. Interessant war vor allem der Stil der Wohnungseinrichtung. Ich würde diesen Stil als barocken Klassizismus mit Rokoko-Elementen im gotischen Biedermeier des neuzeitlichen Teenager-Stils der Jahrhundertwende bezeichnen. In dieser Wohnung steht aber wirklich alles kreuz und quer durcheinander, was die vergangenen Jahrhunderte hergeben, nichts wird ausgelassen. Da machte es dann auch nichts mehr, dass die 2 Stockbetten in der Küche stehen und das gemütliche Doppelbett aus einer Schrankwand heruntergelassen wird, und man sich etwa 10 cm oberhalb des Fußbodens darauf niederlässt.
Da ja bekanntlich nichts oben bleibt, ist es kein Problem, sich ins Bett zu legen, fallen lassen reicht ja. Aber irgendwann kommt der Moment, an dem man wieder aufstehen möchte. Da wird es in 10 cm Bodenhöhe für den einen oder anderen Gelenkakrobaten unter Umständen kritisch. Ist nicht jedermanns Sache, mit den Knien unterm Kinn auf dem Bettrand zu sitzen.
Aber der Garten mit dem Pool ist ein Traum, man kann es nicht anders sagen. Verschiedene Sitzgruppen verteilt über den Rasen, ein erfrischender Pool, überall Ranken, Hecken, Treppen. Überraschenderweise auch sagenhaft ruhig, obwohl relativ mittig in der Stadt gelegen. Hier kam richtig romantisches provencalisches Flair auf. Unter den Weinranken frühstücken, am Pool relaxen, etwas lesen, französisches Lebensgefühl macht sich breit.
Dieser Garten entschädigt für die nicht ganz so angenehme Inneneinrichtung des Hauses. Dies umso mehr, da wir, wegen dem schönen Wetter, den größten Teil der Zeit im Garten oder mit Ausflügen verbracht haben. Wir haben uns in Frejus wohlgefühlt, es war ein schöner Urlaub, die Stadt lädt ein zum Bummeln und liegt zentral. In einer Stunde ist man in St. Tropez, Cannes und Monte Carlo, was will man mehr?
Wenn wir vorher gewusst hätten, was man hier unter einer herrschaftlichen Villa versteht, wir hätten sie nicht gemietet. Andererseits waren die Wohnverhältnisse tolerierbar und wir waren entschlossen, den Urlaub zu genießen. Wir haben deshalb den Schalter auf „Toleranz“ umgelegt – und alles war gut.
Schließlich wird man nicht gezwungen, aus allem eine Katastrophe zu machen. Das Leben kann schön sein, wenn man ab und zu ein wenig Diplomatie und Toleranz walten lässt.